Comedian B.J. Novak - "Intelligente Unterhaltung für alle" (2024)

Comedian B.J. Novak

Comedian B.J. Novak - "Intelligente Unterhaltung für alle" (1)

Moderation: Susanne Burg |

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Er spielt in der Serie "The Office", ist Drehbuchautor und verfasst skurrile Geschichten. Doch das goldene Zeitalter für Komödien sei vorbei, meint B.J. Novak. Nur bei den Dramen seien Risiken erwünscht, sagt der 35-jährige Amerikaner.

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B.J. Novak: Ich habe dieses Buch wirklich öffentlich aufgeführt in einem kleinen Theater in Los Angeles vor etwa 100 Leuten, vor einem Publikum, und ich brauche das, um zu spüren, dass meine Arbeit wirklich mit dem Publikum noch in einer gewissen Verbindung steht. Ich komme ja von der Bühne – ich habe ja als Stand-up-Comedian auf der Bühne gestanden, und wenn ich fürs Fernsehen gearbeitet habe, habe ich auch sofort Reaktionen gehabt. Ich bekam das Feedback des Publikums und der Zuschauer mit.

Und so ist das eben jetzt auch, wenn ich ein Buch schreibe: Ich muss das in einer gewissen Weise auch aufführen und gehe jetzt beispielsweise auch auf Lesereise, setze mich auf die Bühne und lese aus meinem Buch vor, und irgendwie kann ich das gar nicht anders machen, und jemand, den ich sehr schätze, nämlich David Sedaris, der arbeitet genauso. Und warum ich jetzt überhaupt ein Buch geschrieben habe – das war einfach so, dass sich viele Ideen angesammelt hatten in Notizbüchern, die ich aber niemals wirklich benutzt habe, ich konnte sie auf der Bühne als Comedian nicht wirklich benutzen, und daraus ist dann letztendlich dieses Buch entstanden.

Burg: Der Humor im Buch ist teilweise sehr absurd. Eine Frau hat zum Beispiel ein Date und stellt fest, dass der Mann, mit dem sie sich da trifft, ein Warlord ist. Oder in einem Planetarium würgt ein Wissenschaftler, weil er unbedingt wissen will, was dunkle Materie ist. Darf Humor für die Fiktion doch absurder sein als für eine Fernseh-Comedy?

Novak: Ich finde, als Autor kannst du mit einem geschriebenen Material einfach viel weiter gehen, als wenn du fürs Fernsehen oder für den Film arbeitest, weil du arbeitest mit deiner eigenen Vorstellungskraft, mit deiner eigenen Fantasie, die du dann auf den Leser überträgst, der dann wiederum seine eigene Vorstellungskraft hinzufügt. Und wenn man fürs Fernsehen arbeitet oder fürs Kino arbeitet, dann muss man das ja produzieren, dann muss man Geldgeber finden, das sind dann Millionenbudgets, und dann musst du hunderte von Unterschriften bekommen, damit du überhaupt loslegen kannst – und wenn du dann sagst, es geht hier um eine Frau, die sich in einen Warlord verliebt, dann musst du regelrecht sie davon überzeugen, dass das durchaus witzig sein kann, dass das durchaus komisch sein kann, dass es wert ist, dass da ein großes Budget und Millionen von Dollar für ausgegeben werden.

Und dann hast du auch ganz konkrete Probleme, nämlich: Wer spielt dann so einen Warlord, dass es eben keine Karikatur eines afrikanischen Diktators wird? Und das sind alles Probleme, die du eben hast, wenn du fürs Fernsehen oder für den Film arbeiten möchtest. Und als Autor, wenn ich eben nur schreibe, da kann ich mich ganz auf meine eigene Imagination, auf meine Fantasie verlassen, und ich schaffe es eben dann auch, viel mehr zu spielen, mit gewissen Tönen, dunkel, hellen Tönen, aber eben auch mit Realem, mit Surrealem, dass es einfach auch sehr viel mehr Schichten bekommt.

Burg: Sie haben acht Jahre lang bei der US-amerikanischen Fernsehserie "The Office" gespielt in der Rolle des Ryan Howard, Sie haben als Drehbuchautor da gearbeitet, auch bei einigen Episoden Regie geführt und produziert. Wenn man über amerikanische Fernsehproduktionen redet, dann kommt sofort die Rede auf den Writers' Room, da, wo man zusammenkommt und Menschen an der Entwicklung von den Charakteren arbeiten. Wie war das in dem Fall? Denn es gab ja ein britisches Original. Hat das da trotzdem genauso funktioniert?

Novak: Ja, es gibt einen ganz einfachen Grund, warum es ein so großes Autorenteam gibt: Weil wir so viele Episoden drehen. Also wir reden von 22 Folgen pro Jahr und manchmal läuft so eine Show dann acht Jahre lang. Das heißt, wenn die erste Folge bereits abgedreht ist, wird die nächste schon geschrieben, dann wird die dritte vorbereitet, während die erste geschnitten wird, dann muss man schon wieder mit einer Idee für die vierte Folge kommen – und das schafft ein Autor überhaupt nicht alleine, diese Arbeit. Und im Film ist es etwas anderes. Da kann man sich ausführlich damit befassen, alles planen, auch das Casting. Dann verbringt man aber ein Jahr damit. Und bei uns ist es so: Wir drehen eine Show innerhalb von einer Woche.

Zu viele Autoren können eine Show beschädigen

Und deswegen brauchen wir so ein großes Autorenteam, damit wir diese Arbeit überhaupt bewältigen können, und das ist natürlich etwas ganz anderes, als wenn da nur ein oder zwei Autoren mit dabei sind. Wichtig ist natürlich: Zu viele Autoren könnten theoretisch eine Show auch ein bisschen beschädigen, weil man vielleicht ein bisschen verliert, um was es ursprünglich einmal gegangen ist. Aber ich glaube, wir haben das richtige Team zusammengestellt. Und dafür ist der sogenannte Showrunner auch da, der wie eine Art Supervisor funktioniert und dafür sorgt, dass dieser Tonfall eben durchgehalten wird, und das ist auch sehr hilfreich. Und ich glaube, in den besten Folgen, die wir hatten, da haben wir das auch beherzigt.

Burg: Es gibt also diese Gruppe, die innerhalb arbeitet und diskutiert, wie das weitergeht, aber dann gibt es ja auch noch den Fernsehsender selber, und es gibt natürlich das Publikum und die Einschaltquoten. Am Anfang war die Kritik der Zuschauer, dass die Serie zu düster ist, dann wurden Sie etwas optimistischer. Wie wurden solche Rezeptionen dann auch mit in die Serie einbezogen?

Novak: Ja, das ist der direkte Anschluss, Antwort an die Frage, die Sie mir davor gestellt haben: Das ist genau dieser Showrunner, von denen ich Ihnen erzählt habe, dieser Entscheidungsträger, der das gesamte Feedback, die gesamten Reaktionen des Publikums, des Senders aber auch der Einschaltquoten, der Ratings zu bedenken hat und natürlich auch auf Freunde und auf seine eigene Frau dabei hört. Und bei uns war dieser Showrunner Greg Daniels. Und gewisse Kritik hat er nicht angenommen, da hat er sich drüber hinweggesetzt, aber andere Kritikpunkte, da hat er wirklich sich damit auseinandergesetzt und hat diese Kritik eben auch akzeptiert, beispielsweise, dass eben diese Figur von diesem Chef, von diesem Boss ...

Der ist wirklich ein ganz schrecklicher Typ, aber der kann eben nicht nur schrecklich sein. Man muss ihm auch gewisse Attribute zuerkennen, dass man für ihn so ein bisschen fühlt, dass man ihn auch so ein bisschen wenigstens sympathisch findet. In der britischen Vorlage war das nicht nötig, weil die so kurz war, weil die ja nur über zwölf Episoden ging. Aber bei uns musste man ihn ja sehr viel länger ertragen. Und das war das, was Greg angenommen hat als Kritik, und er kam dann eben zu den Autoren und hat gesagt: Wir müssen hier mal versuchen, so einen Hoffnungsfunken in dieser Figur zu etablieren. Und in der Halloween-Folge, da haben wir das dann eben auch gemacht.

Die Untergebenen als Familienersatz

Also Michael, also der Boss hier bei uns, der hat ja keine Familie, und deswegen behandelt er eben seine Untergebenen im Büro, seine Angestellten wie eine Familie, lässt sie niemals gehen, kontrolliert sie die ganze Zeit, mischt sich in ihr Leben ein. Aber er ist sozial so ein Wrack, dass keiner wirklich mit ihm zusammen sein möchte, dass er deswegen keine Familie haben kann. Und in dieser Halloween-Folge, da ist es eben so: Da ist dann abends so ein kleines Kind, was bei ihm klingelt, und er gibt ihm alle Süßigkeiten, die er im Haus hat. Das geht so weit, dass es dem Kind anfängt, sogar ein bisschen unbehaglich zu werden. Aber genau darum ging es, dass man etwas Witziges macht, dass sich das Publikum auch ein bisschen unbehaglich gleichzeitig fühlt, aber dass man eben auch spürt: Der hat auch was, der hat auch angenehmere Seiten an sich.

Burg: Das Seriengeschäft ist in den letzten Jahren unglaublich explodiert, aber gerade die Sender, die auf Werbung angewiesen sind, wie es NBC ist, wo "The Office" lief, haben es in letzter Zeit schwer, mit diesen Bezahlsendern HBO, AMC mitzuhalten, weil sie eben auch nicht zu harten Stoff produzieren dürfen, also zu harten Inhalt. Wie reagieren die Kabelsender auf diese Entwicklung, was Comedy angeht?

Novak: Also solche Comedy-Shows haben es zurzeit sehr, sehr schwer bei den großen amerikanischen Networks und überhaupt generell im amerikanischen Fernsehen. "Office" war ja noch eine Serie, die ähnelte eben den sehr populären, sehr erfolgreichen Serien wie "Friends" oder wie "Seinfeld", die wirklich auch ein Massenpublikum erreicht haben, die intelligent waren und trotzdem auch gewisse Kanten hatten, die nicht so glatt waren. Und heute neigen die Networks einfach dazu, irgendetwas zu produzieren, was eben gar keine Kanten hat, was eben nur noch Mainstream ist. Man geht da keine Risiken mehr ein.

Gewagte Shows sind ein Muss für Kabelsender

Die Kabelsender hingegen gehen permanent Risiken ein, die machen wirklich sehr gewagte Shows, die streckenweise eben auch sehr düster sind, und bei denen ist es dann so: Wenn die Komödien machen würden, dann wären das eben keine Komödien, die diese menschliche Wärme haben, die auch eine gewisse Leichtigkeit haben. Da erwartet einfach das Publikum im Kabelfernsehen eben, dass man permanent Risiken eingeht und eben auch mehr auf düstere Aspekte setzt. Das ist zurzeit so ein bisschen das Problem. Und ich bin der Meinung, dass Comedy-Shows wirklich zu den großen Sendern, zu den großen Networks gehören, weil sie ein großes Publikum braucht. Das ist zurzeit so ein bisschen das Problem, was wir in Amerika haben, dass sich die Frage stellt: Wer wird der nächste sein, der wirklich eine gute Comedy-Serie produziert? Wird das ein Network sein, was sich ein bisschen am Kabelfernsehen orientiert, oder wird das ein Kabelsender sein, der sich ein bisschen an den Networks orientiert?

Burg: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dieser Entwicklung?

Novak: Also meine Ambition ist es, wirklich populäre Unterhaltung zu machen, aber intelligente Unterhaltung, die eben aber auch die Massen anspricht. Und mich hat es schon immer geärgert, wie ich jünger war, wenn all diese Zyniker behauptet haben, dass alle wirklich guten Serien im amerikanischen Fernsehen abgesetzt werden. Und dann habe ich immer gesagt: Hey, da gibt es doch die "Simpsons", das ist die populärste Show überhaupt auf der ganzen Welt und die ist doch intelligent, und die hat ja auch noch andere Aspekte. Es ärgert mich bis heute, wenn Zyniker, auch was Hollywood angeht, immer sagen: Ja, wenn du eine wirklich gute Idee hast, dann kannst du das in Hollywood nicht machen. Also das glaube ich einfach nicht.

All die Serien, die eben nicht funktioniert haben und die abgesetzt worden sind, sind abgesetzt worden, weil es schlechte Serien waren, weil irgendwelche Zyniker dachten, sie hätten eine großartige Idee, aber das hat dann letztendlich nicht funktioniert. Und ich möchte intelligente Unterhaltung wirklich für alle machen, und vielleicht klappt es nicht immer beim ersten Mal, aber das ist auf jeden Fall meine Ambition.

Fernsehen ist mächtiger denn je

Burg: Hier ist ja immer die Rede vom goldenen Zeitalter der Fernsehserie. Ich persönlich bin der Meinung, dass das Fernsehgeschäft ja so explodiert ist, dass inzwischen eben der Wille, irgendwie Risiken in Kauf zu nehmen oder irgendwas Neues zu entwickeln und dann auch den Drehbuchautoren die Freiheit zu lassen, dass das eher abgenommen hat, dass das Formelhafte mehr zugenommen hat. Wie schätzen Sie den derzeitigen Zustand der amerikanischen Fernsehserie ein?

Novak: Also ich glaube, für Dramen, für ernsthafte Erzählformen ist ein goldenes Zeitalter im Fernsehen angebrochen, weil man so viele Risiken eingeht wie noch nie zuvor. Es geht um die Tiefe der Charaktere, der Antiheld hat sich etabliert, viele Filmstars, die früher nie Fernsehen gemacht haben, setzen ihr ganzes Talent ein, jetzt in Fernsehproduktionen, in Dramen eben mitzuspielen. Und für das Medium, fürs Fernsehen ist das großartig. Es ist mächtiger denn je geworden durch diese neuen Formen des Dramas, die erzählt werden.

Was die Komödie jedoch angeht, befinden wir uns überhaupt nicht in einem goldenen Zeitalter. Ganz im Gegenteil: Da ist es etwas ganz anderes, weil Komödien einfach anders funktionieren. Komödien müssen eben viel mehr verallgemeinern und können nicht in diese fragmentarische Erzählform übergehen. Aber wie gesagt, das goldene Zeitalter ist zurzeit eben für die Dramenserien, für die Antihelden, für die Hollywoodstars, die Fernsehen machen, und ich frage mich, wie lange dieses goldene Zeitalter jetzt für die Dramen noch anhalten wird. Aber da stehen uns erst mal großartige Zeiten bevor.

Burg: B. J. Novak, vielen Dank fürs Gespräch! Thanks for talking to us!

Novak: Thank you very much!

B.J. Novaks Geschichtenband "Cornflakes mit Johnny Depp" ist im Verlag Blumenbar erschienen.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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Author: Kerri Lueilwitz

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